Äcker leben lassen

Diskussionsbeitrag zur Photovoltaik auf Ackerflächen

(siehe hierzu die Webseite www.aecker-leben-lassen.de)

Genauso wie die Initiative „Ländle leben lassen“ wollen wir (s. Unterzeichner am Ende des Beitrags) den Flächenfraß in der Landschaft stoppen. Wir wollen nicht, dass bei der Photovoltaik-Planung Grünlandflächen gegen Ackerflächen und Ackerflächen mit unterschiedlicher Einstufung in der Flurbilanz gegeneinander ausgespielt werden. Ackerflächen mit ihren sehr differenzierten Eigenschaften müssen in ihrer Vielfalt erhalten bleiben! Wir fordern:  
                        

Äcker für die Lebensmittelproduktion leben lassen!

 

Die Ausgangslage
Nach dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz des Landes (KlimaG BW) müssen in jeder Region mindestens 2 Prozent der Fläche für Erneuerbare Energien ausgewiesen werden. Wovon 1,8 Prozent auf Windkraft und 0,2 Prozent auf Photovoltaik entfallen. In der Region Heilbronn-Franken muss wie in ganz Baden-Württemberg die Planung bis 2025 abgeschlossen sein. Das Planungssoll/Flächenziel für die Region Heilbronn-Franken liegt bei ca. 960 Hektar.

Wir geben der Öffentlichkeit kaum bekannte Aspekte der Photovoltaik auf Ackerflächen zu bedenken

1. Blockierung der ackerbaulichen Nutzung
Durch Freiflächen-PV wird die ackerbauliche Nutzung auf der betreffenden Fläche für mindestens 20 Jahre blockiert. Allenfalls Pflegenutzung, Heugewinnung und Beweiden durch Schafe oder Hühner ist möglich, was in der Praxis allerdings nicht ohne weiteres umsetzbar ist.
Ortsansässigen Ackerbaubetrieben fehlen diese Flächen. Die Agrarstruktur vor Ort muss berücksichtigt und den Landwirten eine Erwerbserwartung zugestanden werden!

2. Frage der Ethik
Angesichts der Gefährdung landwirtschaftlicher Nutzflächen in Südeuropa ist es eine ethische Frage, ob wir in Mitteleuropa mit noch nicht so starker Bedrohung durch den Klimawandel landwirtschaftliche Nutzflächen zur Erzeugung von Lebensmitteln aufgeben dürfen.
Selbst bei uns zeigen die Trockenjahre, dass sichere Erträge und Qualitäten nicht mehr selbstverständlich sind.

3. Unter der Fläche liegt der Boden – Vielfalt der Ackerböden erhalten
In den Kriterienkatalogen für die Standortwahl für Freiflächen-Photovoltaikanlagen, die Gemeinden derzeit erstellen, werden gute Böden mit Bodenwerten über 40 bzw. Flächen der Vorrangflur  aus der potentiellen Nutzung als PV-Fläche herausgenommen, entsprechend der Vorgaben der Regionalplanung. Flächen mit geringeren Bodenwerten werden dagegen tendenziell zur Überbauung in Betracht gezogen, obwohl auch diese mit angepasster Nutzung und angepassten Feldkulturen guten Ertrag bringen, beispielsweise die sandigen Lehmböden um Vellberg, Frankenhardt und Stimpfach, die sich gut für den Anbau von Kartoffeln, Roggen und Soja eignen. Die ansässigen Landwirte wollen auch diese Flächen bewirtschaften und brauchen sie für ihre mittel- und langfristigen Planungen, beispielsweise für Futterbau oder zum Ausbringen von Mist oder Gülle.
Auch Böden der Vorbehaltsfluren I und II und der Grenzflur haben ihren eigenen Wert mit fein differenzierten Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten, die es zu erhalten und zu fördern gilt! Im Prinzip ist jeder Boden gleich viel wert. Und, was oft nicht gesehen wird, auch ein Ackerboden ist voller Leben, ein Hotspot der Biodiversität mit Regenwürmern, Asseln, Springschwänzen, Hornmilben und einer Vielzahl von Mikroorganismen.

4. Auswirkung auf Pacht- und Kaufpreise für Äcker
Durch die Propagierung der Freiflächen-Photovoltaik und das große Interesse bei Kommunen, Projektierern, Energieunternehmen und den Landwirten selbst steigen die Bodenpreise. Im Landkreis Schwäbisch Hall liegen sie mit 40.000 Euro pro Hektar weit über dem Landesdurchschnitt mit ca. 30 000 Euro (Quelle HT vom 20. Februar 2024). Ähnlich sieht es bei den Pachtpreisen aus. Diese sind in Hohenlohe mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt in Baden-Württemberg. Das bringt landwirtschaftliche Betriebe unter Umständen in Bedrängnis; sie können bei den hohen Preisen schwerlich mitbieten; ihnen fehlen dann womöglich die Flächen für die zukunftsfähige Entwicklung ihrer Betriebe.

 

Kann Agri-PV eine Alternative sein?
Agri-PV wird derzeit von der Politik, Presse und Interessenverbänden hochgelobt und als die Lösung für die Energiegewinnung auf der Fläche hingestellt, da sie angeblich eine Doppelnutzung von landwirtschaftlicher Nutzung und Energiegewinnung ermöglicht. Die Flächenkonkurrenz zwischen Lebensmittelproduktion und Energieerzeugung scheint so aufgelöst. Allerdings lassen sich fast ausschließlich Sonderkulturflächen, also Anbauflächen von Wein, Obst und Gemüse auf diese Weise doppelt nutzen. Lediglich vertikal aufgestellte PV-Module ermöglichen realistisch betrachtet Doppelnutzung im Ackerbau (siehe Agri-PV-Variante 3 weiter unten).

Die Politik ebnet der Agri-PV den Weg, indem sie mit ihr belegte Flächen weiterhin als förderfähig einstuft. 85 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche unter einer Agri-PV-Anlage sind förderfähig, solange das Bearbeiten weiter möglich ist und die nutzbare Fläche um maximal 15 Prozent verringert wird. Das schreibt die GAP-Direkzahlungen-Verordnung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) vor. Somit könnten sich Landwirte, die Freiflächen-PV bisher womöglich ablehnten, für sie erwärmen. Allerdings erfordern Agri-PV-Anlagen höhere Investitionskosten und einen größeren Materialaufwand, was womöglich unerwünschte Intensivierungen provoziert. Es gibt noch keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen.

Agri-PV gibt es bisher in drei Varianten, alle noch im Versuchsstadium oder nur mit sehr wenigen Anlagen in die Praxis umgesetzt. Sie ist keineswegs so verbreitet wie die Medien es darstellen
Aufgeständerte Module mit lichter Höhe über 2,1 Meter (Forschungsprojekt des Fraunhofer Institutes am Bodensee mit Aufständerung auf über 5 Meter) – realistischerweise wirtschaftlich nur umsetzbar im Obst- und Gemüsebau. Problematik der Fruchtfolge in solchen Anlagen.
Bodennahe Aufständerung mit Nachführung der Achse zur Sonne  – in Deutschland u. W. bisher nur eine kommerziell umgesetzte Anlage in Bayern 2019)
Bodennahe vertikale Aufständerung mit bifazialen Modulen – in Baden-Württemberg bisher wenige Anlagen, eine im Allgäu in Dauergrünland, eine Anlage wird derzeit in Bad Rappenau-Fürfeld entlang der Autobahn A 6 projektiert. Dabei stehen die vertikal aufgestellten Module so weit auseinander, dass landwirtschaftliche Maschinen zwischen den Modulreihen hindurchfahren können. Die Firma next2sun bewirbt die bifazialen Module zudem als Solarzaun zur Einzäunung von Viehweiden. Nur ein Streifen unter den vertikalen Elementen bleibt unbearbeitet. Nicht geklärt ist, ob die gesamte Anlage aus versicherungsrechtlichen Gründen eingezäunt werden muss. Auch diese bifazialen Anlagen beeinträchtigen das Landschaftsbild visuell.
Initiatoren: Jürgen Haag, Bioland-Betrieb, Vellberg-Lorenzenzimmern, Dietmar Lober, Demeter-Betrieb, Braunsbach-Rückertsbronn und Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt, Langenburg, www.bross-burkhardt.de              
Quellen: next2sun.com, Ökologie & Landbau 2/2023