Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt (Stand 23.11.2025)
Bartenstein muss sich immer wieder neu erfinden. Nach vielen Zäsuren im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schien es mit dem Ort in den 1950er- und 60er-Jahren wieder aufwärts zu gehen. Bürgermeister Fritz Brauns, von 1948 bis 1972 im Amt, trieb Infrastrukturprojekte voran wie beispielsweise den Neubau der Volksschule Bartenstein-Ettenhausen (eingeweiht 1956) und den Bau der Turn- und Festhalle (eingeweiht 1961). Es gelang jedoch nicht, Gewerbe neu anzusiedeln und damit Arbeitsplätze zu schaffen, so wie es in den Gemeinden rundum geschah. U. a. hatte dies einen weiteren Einschnitt in der Ortsgeschichte zur Folge: die Eingemeindung nach Schrozberg und damit der Verlust der kommunalen Selbständigkeit. Bei einem Bürgerentscheid am 13. Februar 1972 sprach sich die große Mehrheit der Bevölkerung für die Eingemeindung nach Schrozberg aus, wohl wissend, dass der Ort mit seiner stetig abnehmenden Bevölkerungszahl und dem wirtschaftlichen Niedergang seine Eigenständigkeit nicht mehr würde aufrecht erhalten würde können. Das ist über 50 Jahre her. Parallel zur Eingemeindung wurde die Volksschule schrittweise aufgelöst und nach Schrozberg verlegt. Der Verlust der Stadtrechte zum 1. Januar 1973 traf die Einwohner emotional stark und nagte an ihrem Selbstverständnis. – Ein Bedeutungsverlust, der bis heute nachwirkt. Was blieb da noch für die Identitätsbildung?
Nur noch leere Schaufenster
Doch auch die Eingemeindung konnte dem weiteren Schrumpfen der Bevölkerung nicht entgegenwirken. Der allgemeine Strukturwandel und die zunehmende Mobilität der Bevölkerung hatten gravierende Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben. Nach und nach schlossen fast alle Läden und Wirtschaften, Handwerker hörten – zumeist altershalber – auf. Apotheke, Arztpraxis, Krankenhaus und 1997 die Poststelle beendeten den Betrieb. Die Schaufenster blieben fortan leer. Ladenräume wurden in Wohnräume umgewandelt. Nur wenige Gewerbetreibende siedelten sich neu an.
Peter Kolb, der Besitzer des Lebensmittelgeschäftes Kühner, hielt noch lange die Grundversorgung mit Lebensmitteln aufrecht. Mit dem Schließen seines Geschäftes war es mit dem Einkaufen in Bartenstein erst einmal vorbei. Schließlich machte auch der Elektrobetrieb Munz das Ladengeschäft dicht. Das Schließen der Läden machte das Einkaufen für die Einwohner nicht nur beschwerlicher, es wirkte sich auch auf das soziale Leben aus.
Mit den Läden verschwanden nämlich die Orte der Alltagskommunikation. Der informelle Austausch der Bewohner untereinander, das kurze Gespräch im Vorübergehen war so nicht mehr möglich. Die Verkaufswagen der Bäckereien und der mobile Supermarkt waren und sind kein vollwertiger Ersatz. Allenfalls die Hundespaziergänger treffen sich noch beiläufig auf Straßen und Wegen. Zu wichtigen Orten der Alltagskommunikation wurden die Friedhöfe in Bartenstein und Ettenhausen; denn die Angehörigen begegnen sich im Sommer dort fast täglich beim Gießen der Gräber. Tagsüber bleiben die Straßen menschenleer.
Anders als Bartenstein prosperierten die umliegenden Ortschaften. In Schrozberg und Mulfingen siedelten sich Industriebetriebe an und entwickelten sich teils zu Weltunternehmen, so dass an Arbeitsplätzen in der nahen Umgebung kein Mangel herrscht. Für ein gutes Auskommen der Einzelnen war so gesorgt. Bartenstein entwickelte sich vom Handwerker- und Einkaufsort mit regem Treiben zum stillen Wohn- und Schlafort.
Soziales Miteinander
Nach der Eingemeindung brachen Strukturen, die es in einem gewachsenen Gemeinwesen normalerweise gibt, in Bartenstein einfach weg. Ohne Rathausbetrieb, ohne Schule, ohne Gewerbebetriebe, ohne Gastwirtschaften, ohne Institutionen außer dem Ortschaftsrat und der Feuerwehr fehlten dem Ort die Kristallisationspunkte. Es blieben die Kirchengemeinden und die Vereine. Die Mitglieder von Feuerwehr, Angelsportverein, Gesangverein, Sportverein und Schwäbischen Albverein wurden somit zu wichtigen Akteuren im sozialen Miteinander. – Dem Vereinsheim des Kleintierzüchtervereins, dem „Hasenheim“, fiel ein wenig die Funktion einer Dorfwirtschaft zu..
In dieser schwierigen Zeit kam der langjährigen Ortsvorsteherin Rose-Marie Nauber (2020 verstorben) die Idee, in Bartenstein Flohmärkte zu veranstalten, im Rahmen des traditionellen Ostermontagsmarkt und an dem neu installierten Kuchen- und Brunnenfest im August. Vor allem der Ostermontagsflohmarkt hatte über viele Jahre großen Zulauf: Flohmarktstände reihten sich beidseits der Schloßstraße von der Linde am Ortsausgang bis zum Schloss. Der Sommerflohmarkt reicht dagegen nur noch vom Tor bis zum Schloss.
Es wird neu gebaut
Im Zug des Generationenwechsels und des Wegzugs wurden in den 1980er und 90er-Jahren viele Häuser günstig verkauft, viele davon stark renovierungsbedürftig.
Doch allmählich setzte ein Wandel ein. 1888/89 wies die Stadt ein neues Baugebiet auf dem Hoffeld aus, ein weiteres Baugebiet „Meisenhof“ am östlichen Ortsrand folgte. – In der Folge siedelten sich Familien von außerhalb in Bartenstein an. Es gab wieder Kinder in Bartenstein! Ein Kindergarten, den es zuvor nicht gab, wurde nach der Auflösung der Volksschule im funktionslosen Schulgebäude eingerichtet.
Künstler und Kreative beleben den Ort
Bartenstein zog mit seinem besonderen Flair immer wieder Personen an, die ihre beruflichen Erfahrungen und ihre Kreativität für eine gewisse Zeit an den Ort brachten – und dann wieder wegzogen oder starben. Manche blieben für sich, andere mischten sich unter die Einheimischen. – Schriftsteller wie Michael von Posern aus Wiesbaden lebte eine zeitlang im Schloss. Johannes von Buttlar, der höchst umstrittene Autor der „Methusalemformel“ publizierte von hier aus. Das Ehepaar Epple, das von Hamburg nach Bartenstein gezogen war, belebte das „Barockhaus“ mit den Säulen in der Klopfhofstraße mit einem Antiquariat und einen Laden „Altes Spiel und Zeug“. Das Ehepaar Mohr stellte in den Fenstern der ehemaligen Apotheke in der Adventszeit Puppenstuben aus. Oder die Künstlervereinigung „Bartensteiner Kreis“, die Ausstellungsräume im Schloss bespielte. (Der Bartensteiner Erich Göller hat diesen Kreis mitgegründet.) Der Musiker Shantiprem komponierte im Pavillon im Hofgarten Meditationsmusik. Der Restaurator Reinhold Pallas betrieb im Hofgärtnerhaus seine Werkstatt für Gemälderestaurierungen, Vergoldungen und andere Spezialrestaurierungen; sein Atelier verlegte er schließlich in das belebtere Rothenburg ob der Tauber. Nach ihm zog die Pianistin und Musiklehrerin Monika Kolar ins Hofgärtnerhaus. Sie lud unter dem Motto „Pianoforte im Park“ in ihre Musikschule und zu Konzerten ein. Seit über 30 Jahren hat Martin Schwarz sein Atelier in zwei Stockwerken in einem Seitenflügel des Schlosses (siehe Foto auf S. 4). Die Exponate in seinem Schaulager, das er zu Ausstellungen öffnet, umfassen viele Schaffensphasen mit Gemälden, Buchobjekten, Installationen. Weitere Kunstschaffende wirken zumeist im Stillen.
Doch man muss keine Künstlerin oder ein Künstler sein, um sich in Bartenstein wohl zu fühlen. Die Verträumtheit des Ortes, die stille Abgeschiedenheit zieht wohl jede Besucherin, jeden Besucher in Bann – so wie einst den Architekten Hermann Heuss, den Bruder des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss, der in „Hohenloher Barock und Zopf“ schwärmt.
Ideen für die Zukunft
Viel Potential liegt im immer noch wie verzaubert wirkenden Bartenstein. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, von Bartenstein aus im Homeoffice und bei der Vermarktung von Produkten tätig zu sein. Die Vermietung von Ferienwohnungen tat sich ebenfalls als neue Einkommensquelle auf. Medizinische Berufe sind überproportional gut vertreten. Was allerdings fehlt ist eine Anlaufstelle für Besucher wie Einheimische. Von einem Café mit Galerie oder gar einer Dorfwirtschaft darf man träumen …
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